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Das saubere Berlin

Heute gehört Berlin zu den attraktivsten Metropolen der Welt und ist ein Touristenmagnet für Millionen. Auch früher kamen Fremde gern nach Berlin, aber ein richtiges Vergnügen war das wirklich nicht immer.

Im Mittelalter musste der Berlin-Gast ein gutes Stehvermögen haben, sonst wäre er nämlich umgefallen – weil die Stadt zum Himmel stank. Das lag daran, dass die Bewohner zwischen ihren Wohnbehausungen den leeren Raum als Klo benutzten.

War der Berg der Hinterlassenschaft zu hoch, wurde das Material“ von den Viehbauern als  Dünger genutzt oder einfach weitergeschoben. Manche machten sich sogar die „Mühe“, das Zeug eimerweise in die Spree zu kippen... Ein Chronist berichtete, dass Berlin ihm noch Jahre nach seinem Besuch in der Nase lag.

Bis ins 19. Jahrhundert hin schüttete die Bevölkerung ihre Notdurft in den Rinnstein, wo sie dann vom Regen weggespült wurde. Das möchte man sich heute bei trockenem Sommer gar nicht vorstellen...

Erst durch Einschreiten des Berliner Gesundheitspolitikers und Arztes Rudolf Virchow und des Architekten James Hobrecht sollte sich die hygienisch katastrophale Lage, die für Krankheiten (zum Beispiel Ruhr) und Tod sorgten, ändern. Schon zuvor hatte Virchow, der 1856 das neu gegründete Institut für Pathologie an der Charité leitete, in Pommern und Schlesien Epidemien von Typhus und Cholera untersucht und das verseuchte Grundwasser als Ursache für verkeimtes Trinkwasser erkannt.

So wurde der Virchow in Berlin mit seinem Drängen auf eine „Stadthygiene“ zum ersten Umweltschützer – und rettete damit das Leben Tausender.

Als der Vorschlag einer Kanalisation gemacht wurde, brachte das die Berliner auf die Barrikaden. Sie liefen Sturm gegen diesen neumodischen Kram.

Als der Magistrat die Kanalisation beschloss, protestierten aufgebrachten Berliner und schrieben einen dramatischen Appell „An die Bürger Berlins!“

„Teuer werde das Projekt und brächte nur Nachteile und Unbequemlichkeit, zum Beispiel: Ein Kanalsystem, dass die Stadt zerreißen und durch seine Errichtung jahrelang zerstören wird!“

Ja, es gab ihn immer schon, den meckernden Berliner, der stets erst einmal gegen alles ist. Meckern als erste Bürgerpflicht – das hat der Berliner so verinnerlicht, dass die Formulierung „Da jibts nüscht zu meckern“ als allerhöchstes Lob aus seinem Mund geworden ist. Diese kritische Haltung entwickelte sich im Laufe des Jahrzehnte zu einer landestypischen Eigenheit, quasi als ein Charakteristikum, wie etwa der „sparsame Schwabe“, der „pfiffige Sachse“ oder der „wortkarge Nordfriese“.

Gegen den Willen vieler Berliner – die Vernunft siegte. Die Stadtkasse setzte für die Installierung einer Kanalisierung ein Drittel der Stadtkasse ein. Über zwölf lange, radial angelegte Druckleitungen sollten Fäkalien und anderes Schmutzwasser auf Rieselfelder außerhalb der Stadt gelenkt werden. Das erste Rieselfeld entstand vor der südlichen Stadtgrenze Berlins bei Osdorf/Heinersdorf, dann auch bei Diedersdorf.

Männer aus dem Obdachlosen-Asyl Rummelsburg waren die ersten, die für den Bau eingesetzt wurden. Durch ihr (nicht ganz freiwilliges Tun) verbesserte sich, als die Baumaßnahmen dann immer größere Dimensionen angenommen hatten und von einer Vielzahl von Arbeitern durchgeführt wurde, die hygienische Situation in den folgenden Jahren enorm. Die Krankheits- und Todesfälle gingen rapide zurück.

Heute ist das Berliner Kanalsystem der Berliner Wasserbetriebe rund 250 Kilometer lang. Als „Geburtsjahr“ der Berliner Kanalisation gilt jedenfalls das Jahr 1873.

Niemand konnte damals ahnen, dass nur gut  30 Jahre später der Komponist Paul Lincke in seiner Operette „Frau Luna“  die „Berliner Luft“ berühmt machen würde, in der schwungvoll gesungen wird: „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft, so mit ihrem holden Duft, Duft, Duft...“

Naja, so hold ist der Duft heute nun auch nicht, aber das hat andere Gründe. Ansonsten gilt: Berlin ist eine saubere Stadt, sprichwörtlich „eine Stadt, die sich gewaschen hat“.

Und dass unser RUWE-Team dazu beitragen darf, finden wir gut. Oder sagen wir mal einfach: sauber!