Pressemitteilung
Die Radaubrüder des Radsports im RUWE Steher-Preis
Es hört sich an wie der Vereinsausflug des märkischen Traktoren-Klubs, wenn die 650 ccm BMW-Boliden um die Bahn rattern. Die Zuschauer verstehen das eigene Wort nicht mehr.
Der Kommunikationsabfall geht aber einher mit einem Spannungsaufbau. Die Rennen hinter Motoren stecken voller Überraschungen, jedes einzelne bietet mehr Überholmanöver als eine ganze Formel 1-Saison. Steher-Kampf verlangt Tempo, Geschick, Mut. Bei Tempo 95 rauschen häufig 3 Gespanne übereinander durch die Steilkurve, die Hände der Schrittmacher an den Lenkergriffen reiben fast aneinander, die Vorderräder der Fahrer sind nur Millimeter von der Rolle entfernt. Der „Pacemaker“ steht auf den Fußrasten der 49-PS-Maschine und reißt mit seiner Helmtaucher-Montur einen unsichtbaren Tunnel in die Luft, durch den der Rennfahrer saust. Er strampelt am Limit, darf den Windschatten nicht um 20 cm nach rechts oder links verlassen, sonst kommt er ins Trudeln. Dieses Prinzip gilt seit mehr als einem Jahrhundert, die Steher-Rennen waren eher in Berlin als die Sixdays, auch auf der Hallenbahn. Seither haben sie nichts eingebüßt von ihrer Faszination. Sie sind attraktiv und antiquiert zugleich, mit einem Wort: Kult!
Kultfiguren sind Titelverteidiger Timo Scholz (zuvor zweimal Europameister), der dreifache Berlin-Sieger und Euro-Champion Giuseppe Atzeni (Schweiz) und der „Geschwader-Kommandeur“ der Schrittmacher Peter Bäuerlein. Der war auch schon zweimal Europa-Meister, ebenso wie sein deutscher Kollege André Dippel und René Aebi aus der Schweiz. Ob allerdings nur die Gespanne mit internationalen Titeln den Sieg unter sich ausmachen, ist fraglich, denn fast alle anderen Fahrer im RUWE Steher-Preis sind oder waren bereits Landesmeister: Jan Simek in der Tschechischen Republik, Patrick Kos in den Niederlanden, Mario Birrer in der Schweiz und in Deutschland Marcel Möbus. Der Dauerfahrer aus der Steher-Stadt Forst erlebt im Velodrom ein Familientreffen: Er ist der Lebensgefährte der Tochter von Lutz Heßlich, dessen Sohn Nico im Nachwuchsrennen UIV-Cup startet, aber in Hannover auch schon ein Derny-Rennen fuhr - hinter Peter Bäuerlein…
Der Schrittmacher aus Rinteln wird beim HUNDERTER den 29-jährigen Florian Fernow um die Bahn scheuchen. Der Charlottenburger ist ein lupenreiner Außenseiter. Wenn er abends an der Havelchaussee für knapp 2 Stunden seine Kilometer schrubbt, hat er schon einen vollen Arbeitstag hinter sich. Florian ist Klempner, oder, wie er selbst sagt: „Ick bin Installateur für Jas, Wasser und Sche…önheitsreparaturen!